„Boden g‘scheit nutzen“: Bodenpolitik und Ortskernstärkung im heißdiskutierten Fokus

Veröffentlichungsdatum16.07.2024Lesedauer5 MinutenKategorienTIC Steyr, Wirtschaft, ...
V.l.n.r.: Josef Wolfthaler, Doris Gugler, Bernhard Ruf, Daniela Zeiner, Bettina Stelzer-Wögerer, Markus Vogl, Udo Schwarz, Martina Kalkgruber, Julia Wagner, Christian Dörfel

Anfang Juli luden die LEADER-Regionen Nationalpark OÖ. Kalkalpen und Traunviertler Alpenvorland sowie das Netzwerk Zukunftsregion Steyr zu einem spannenden Filmabend im Citykino Steyr zu den topaktuellen Themen Bodenpolitik, Ortskernstärkung, Leerstandsnutzung und Gestaltung des öffentlichen Raums ein, der im Anschluss zu anregenden Diskussionen führte. Der Filmabend ist Teil der Veranstaltungsreihe „Boden g’scheit nutzen“ der beiden LEADER-Regionen zu gemeinderelevanten Themen wie Wohnen, Raumplanung und Bodenverbrauch.

V.l.n.r.: Josef Wolfthaler, Doris Gugler, Bernhard Ruf, Daniela Zeiner, Bettina Stelzer-Wögerer, Markus Vogl, Udo Schwarz, Martina Kalkgruber, Julia Wagner, Christian Dörfel

V.l.n.r.: Josef Wolfthaler, Doris Gugler, Bernhard Ruf, Daniela Zeiner, Bettina Stelzer-Wögerer, Markus Vogl, Udo Schwarz, Martina Kalkgruber, Julia Wagner, Christian Dörfel. Foto: Peter Kainrath

Gemeinsam schauten sich rund 70 Interessierte den von LandLuft – Verein zur Förderung von Baukultur mit ORF und Robert Schabus produzierten Film „Stadt Land Boden“ an. Er lieferte spannende Einblicke aus den Gemeinden Feldkirch, Göfis, Mödling, Moosburg, Oberdrauburg, Thalgau und Trofaiach, die alle als Baukulturgemeinde ausgezeichnet wurden und nach Ansicht des Vereins LandLuft gute Ortskernentwicklung und sparsamen Bodenverbrauch betreiben. Sie alle sind beeindruckende Wege gegangen und nutzen den Boden eben „g’scheit“.

Rund 70 Gäste wollten mehr über Bodenpolitik und Ortskernstärkung erfahren

Rund 70 Gäste wollten mehr über Bodenpolitik und Ortskernstärkung erfahren. Foto: Peter Kainrath

Beispiele der LandLuft-Baukulturgemeinden

Trofaiach hat beispielsweise einen Innenstadtkoordinator für die aktive Belebung des Ortszentrums eingesetzt und konnte die Abwärtsspirale von 40 Leerständen im Jahr 2015 nicht nur aufhalten, sondern umkehren. Die Gemeinde Moosburg hat es geschafft, das 3 km außerhalb des Orts ansässige Sportzentrum in den Ortskern zu holen, was zu einer Zunahme der Frequenz führte. Mit der Terrassensiedlung der Architektin Eva Rubin wurde in einer Hanglage mehr Raum zum Wohnen geschaffen, ohne dabei landwirtschaftlich nutzbares Land zu verbrauchen. Thalgau hat die öffentliche Bücherei, eine Theaterbühne und einen Kletterturm in die Volksschule integriert, um die Schule ganzjährig und öffentlich nutzbar zu machen. Nach ersten Überlegungen in den 1970er Jahren entschied sich Feldkirch 1992 zu einer autofreien Begegnungszone in der Innenstadt. Diese Politik wird kontinuierlich fortgeführt, denn daher ist nun auch das Kultur- und Kongresshaus mitten im Zentrum der Altstadt ist auf öffentliche Anreise ausgerichtet. Es gibt keine oberirdischen Parkplätze und die Parkgarage verfügt über nur 75 öffentliche Stellplätze. Somit werden die Besucher:innen der bis zu 1300 Menschen fassenden Halle zu Spaziergängen vor und nach den jeweiligen Events „gezwungen“ – ein Essen vorher oder ein Drink danach ist die automatische Folge. Feldkirch schaffte es, insgesamt 5 ha Bauland zurückzuwidmen. In Mödling wurde bereits vor 20 Jahren der Mödling-Bach renaturiert und Geh- und Radwege daneben angelegt. Was in vielen anderen Städten undenkbar erscheint, wird in diesen Gemeinden gelebt.

Individuelle Lösungswege für Gemeinden

„Mit dem Film wollen wir aufzeigen, dass es Lösungswege gibt und dass jeder Ort aufgrund seiner individuellen Voraussetzungen wie Standort, Raumplanung etc. seine eigenen Lösungswege finden muss“, sagt Anneke Essl, Geschäftsführerin des Vereins LandLuft. Die Botschaft des Films ist deutlich: Das Thema Leerstand in Ortszentren ist allgegenwärtig, ebenso dass nicht in der Form wie bisher gebaut werden darf, da die Bodenressourcen nicht unendlich sind. Das Einbeziehen von Bürger:innen in einen Dialog auf Augenhöhe, möglichst viele verschiedene Stakeholder mit an Bord zu holen und Ideen gemeinsam zu entwickeln, all das ist hilfreich, um Vorhaben umsetzen zu können. Stadtentwicklung ist ein stetiger Prozess, der nie abgeschlossen ist und sich laufend verändert. In der anschließenden Podiumsdiskussionsrunde bekräftigt Christian Dörfel (LAbg., Leader Obmann und Bürgermeister der Gemeinde Steinbach an der Steyr) die Aussage dies Films: „Es gibt keine Patentlösung, da jede Gemeinde unterschiedlich ist. Wichtig ist es aber, ein klares Ziel zu haben, Ortszentren in ihrer Rolle, ihrem Zweck und Standort zu definieren und zu hinterfragen, warum ein Geschäft weggegangen ist.“ Ortszentren neu denken, das ist die aktuelle Herausforderung der Gemeinden. Büros, Co-Working-Spaces, Wohnen, Vereinshäuser etc. wären Möglichkeiten, mehr Leben zu bringen. Dass es schwierig sein wird, allen alles recht zu machen, wird mit der Wortmeldung von Podiumsgast Julia Wagner, einer Anrainerin am Stadtplatz, deutlich, denn die vermehrte Frequenz am Stadtplatz ist für den Handel und die allgemeine Bevölkerung wünschenswert, für die Bewohner:innen jedoch eine klare Belastung.

V.l.n.r.: Bernhard Ruf, Daniela Zeiner, Bettina Stelzer-Wögerer, Markus Vogl, Doris Gugler, Udo Schwarz, Martina Kalkgruber, Julia Wagner, Christian Dörfel

V.l.n.r.: Bernhard Ruf, Daniela Zeiner, Bettina Stelzer-Wögerer, Markus Vogl, Doris Gugler, Udo Schwarz, Martina Kalkgruber, Julia Wagner, Christian Dörfel. Foto: Peter Kainrath

Bettina Stelzer-Wögerer, Obfrau der WKO Steyr-Stadt, hält es für wichtig, die Altstadt weg von einer Handelsstraße hin zu einer Straße der Vielfalt zu entwickeln und Steyr neu zu denken. „Damit Steyr ein starker Wirtschaftsstandort bleibt, müssen wir Impulse setzen, um eine lebendige und dadurch auch für unsere Fachkräfte attraktive Stadt zu sein“, sagt Stelzer-Wögerer. Dass im Hintergrund gearbeitet wird, aber vieles nicht von heute auf morgen passieren kann, verdeutlicht Udo Schwarz, Vertreter des katholischen Pressvereins, der das ehemalige Thalia-Gebäude am Stadtplatz verwaltet. In einem Semesterprojekt mit der KunstUni Linz wurden bereits 15 Umsetzungsideen erarbeitet. Als Hauseigentümer sieht er einen Dialog mit der öffentlichen Hand und mit Leerstandsbeauftragter Daniela Zeiner für essenziell.

Bürgermeister Vogl betont, dass Steyr auf einem guten Weg sei. Wie die Vorzeigegemeinden des Films hat auch Steyr einen Gestaltungsbeirat. Die Bürger:innen werden eingebunden, zuletzt bei der Neugestaltung des Schlossparks. Als positives Beispiel für die Stadtentwicklung nennt Vogl den Stadtteil Steyrdorf, der einst von einer Hauptstraße durchzogen war und heute ein beliebtes Wohnviertel ist. Aktuell arbeitet die Stadt an einer Aufwertung des Bahnhofsviertels. „Steyr hat nicht nur ein Ortszentrum, damit stehen wir städtebaulich vor anderen Herausforderungen als kleinere Gemeinden“, sagt Vogl.

Dass das Thema die Menschen bewegt, wurde auch in den anschließenden kleinen Diskussionsrunden deutlich, wo die Möglichkeit zum Austausch intensiv genutzt wurde.
Zeiner nimmt sich als Leerstandsbeauftragte viele Anregungen aus dem Film und den anschließenden Diskussionen mit. „Wir brauchen Mut und müssen uns trauen, etwas zu bewegen. Der nächste Schritt wird der Runde Tisch sein, zu dem die Stadt Vertreter:innen vom Handel, Hoteliers, Hauseigentümer etc. geladen haben. Wichtig ist, zu sehen, wie komplex das Thema eigentlich ist und wie schwer es ist, allen gerecht zu werden. Aber ich bin überzeugt, dass Gespräche und Kooperationen wesentlich sind, um etwas zu bewegen“, so Zeiner.

Region mit LEADER-Projekten mitgestalten

Felix Fößleitner, Geschäftsführer der LEADER-Region Nationalpark OÖ. Kalkalpen, und Josef Wolfthaler, Geschäftsführer der LEADER-Region Traunviertler Alpenvorland blicken zufrieden auf den Filmabend zurück. „Es war ein gelungener Abend, der viele Anregungen und Diskussionspunkte lieferte. Eine Gemeinde, eine Region kann jede und jeder mitgestalten“, fassen die Geschäftsführer zusammen und laden Engagierte und Interessierte ein, ihre Ideen als LEADER-Projekte einzureichen. Als privilegierter Partner beider LEADER-Regionen, können nun Projekte mit Steyr-Bezug unter Einbeziehung mindestens einer weiteren LEADER-Gemeinde realisiert werden.


Weiterführende Infos

https://www.leader-alpenvorland.at/
https://www.leader-kalkalpen.at/
https://zukunftsregion-steyr.at/
https://tic-steyr.at/
https://steyr.at/